Kaum gerade Stücke
Die Dolomiten im Herbst
Der Sommer 2010 war wirklich kein Traum für Motorradfahrer, erst zu lange kalt, dann zu heiß und zum Abschluss auch noch regnerisch. Mit zunehmenden Wetterkapriolen wuchs deshalb der Wunsch, noch eine schöne Herbsttour zu unternehmen, am liebsten mit Kurven satt. Nach kurzer Überlegung stand das Ziel fest: Die Dolomiten sollten es sein, jede Menge Berge, die von ebenso vielen Pässen überquert werden und zu denen nur kurvige Strassen führen.
Gedacht, gesagt und von allen vier Beteiligten gutgeheißen begannen die Planungen. Da das große Ziel "Pässe fahren" lautete, kamen nicht mehr allzu viele Zielorte in Frage, wir einigten uns auf Arabba, weil es in der Sella-Runde liegt und von Pässen umzingelt ist - im Westen der Pordoi, im Norden der Campolongo und im Osten der Falzarego; mehr Möglichkeiten, Arabba zu erreichen oder zu verlassen gibt es nicht. Ein wenig Spielen mit Karte und Tourenplaner ergab 4 Touren, die fast alle Pässe der nahen und weiteren Umgebung abdeckten. Um schon die Anreise richtig genießen zu können, sollte es durch das Namlos-Tal, Hahntennjoch, Ötztal, Timmelsjoch, Jaufenpass, Penser Joch, Nigerpass, Karerpass und Pordoi nach Arabba gehen - nicht gerade die kürzeste Strecke, aber die mit dem größten Spaß. Fehlte nur noch ein geeigneter Zeitraum. Wir einigten uns auf Mitte September, um dem Treiben in der Hauptsaison zu entgehen und reservierten Zimmer.
Der Tag der Abreise rückte näher und damit die Wettervorhersage in den Mittelpunkt. Sollten wir Pech haben und in einen regnerischen Herbst geraten oder konnten wir trockene Straßen erwarten? Kühl und bewölkt, aber trocken vermeldeten die einschlägigen Wetterportale im Internet, also konnte der Startschuss gegeben werden.
Anfahrt
An einem Samstag ist es dann soweit, wir reisen aus Paderborn, Köln, Karlsruhe und Würzburg zum Treffpunkt Autobahnraststätte "Allgäuer Tor" an der A7 an; Thomas und ich von Würzburg aus bei kühlen 5°C, Gott sei Dank hat die RT Heizgriffe. Entschädigt werden wir durch wenig Verkehr und einen wunderschönen Sonnenaufgang, der durch zarte Dunstschleier pastellene Farben in die Landschaft links und rechts der Autobahn zaubert.
An kalten Herbsttagen zeigt der Boxer seine ganz speziellen Vorzüge
Schon in der Abfahrt der Raststätte erkenne ich die Triumph unseres "Rechtslenkers" Günter vor der Tankstelle stehen; kurz nachdem wir abgestiegen sind, erscheint auch Mischa, der vierte im Bunde. Kurze Begrüßung, ZiPa (Zigarettenpause) für den Raucher und weiter geht es Richtung Reutte und Fernpaß-Bundesstraße, auf der wir durch eine Baustellenampel erst mal derb eingebremst werden. Nach wenigen Kilometern Stau geht es in Bichlbach rechts ab ins Namlostal. Über langgezogene Kurven zum Schwingen, die unseren Schnitt wieder steigen lassen, geht es hinauf zum Namlossattel, den wir zügig hinter uns lassen bergab in Richtung Lechtal. Vor dem Besteigen des Hahntennjochs stärken wir uns mit einer Brotzeit, denn jetzt liegen die ersten Spitzkehren vor uns, bevor wir in Imst billigen Sprit in die Tanks laufen lassen. Durch das Ötztal geht es hinauf zum Timmelsjoch, wo uns nach immer weiter zuziehendem Himmel an der Mautstation Nebel erwartet. Im weiteren Verlauf bis zur Passhöhe wird er immer dichter und ich fahre schon fast nach Instrumenten, als plötzlich ein paar Schafe auftauchen - Vollbremsung und Warten, bis die Straße wieder frei ist. Nach den ersten Spitzkehren wird der Nebel weniger, dafür fällt die Luftfeuchtigkeit in Form von zahlreicher werdenden Tropfen aus. Das ändert sich auch auf der italienischen Seite nicht und hinter Moos in Passeier nutzen wir einen Imbiss mit Zeltdach über den Sitzbänken zum Aufwärmen mit Kaffee und zum Überziehen der Regenkombis. Bei gleichmäßigem Regen geht es weiter über St. Leonhard zum Jaufenpass. Das ist nicht das Wetter, das wir erwartet haben und die Lust auf weitere vier Pässe sinkt, auch weil uns der Stau auf der Fernpassbundestrasse viel Zeit gekostet hat und wir deshalb mit einer späten Ankunftszeit im Hotel rechnen müssen. Wir geben den Wettergöttern noch eine Chance und vereinbaren, die Lage in Sterzing nochmals zu überdenken. Leider lässt der Regen auf dem Weg dorthin nicht nach, also schnelle Entscheidung: Wir fahren auf direktem Weg nach Arabba. Dort treffen wir nach Überquerung des Passo Campolongo um kurz nach 5 Uhr ein; Günter kennt das Hotel von früher und führt uns direkt in die trockene Garage. Nach gut 200km im Regen haben wir von diesem Wetter die Nase voll und blicken etwas pessimistisch in die nahe Zukunft. Auch Manuel, unser Wirt, macht uns keine großen Hoffnungen, es soll frühestens am kommenden Mittag aufklaren. Zudem müssen Günter und ich uns für die erste Nacht ein Zimmer teilen, unsere Einzelzimmer werden erst am Sonntag frei, aber bei der Wettervorhersage macht das auch nichts mehr.
Nach dem Ausdrücken von gefühlten 2 Litern Wasser aus den Handschuhen und einer warmen Dusche geht es zum Abendessen - landestypisch Spaghetti und Pizza. Danach noch einen Schlummertrunk an der Hotelbar und ab ins Bett.